"Klosterstille" - ein besonderes Lied

"Klosterstille" - ein besonderes Lied

Marika Meijer

Anmerkung der Redaktion:
Der 3. September 2022 war ein herrlicher Spätsommertag – auch in Oosterwijtwerd, einem kleinen Dorf mit ca. 150 EinwohnerInnen nordwestlich von Delfzijl in der Provinz Groningen. 
Mit einer mittelalterlichen Marien-Kirche und - nach 1319 -  einem Johanniterkloster, das es heute nicht mehr gibt.
An diesem Tag wurde dort die Wanderausstellung „Johanniter an der Nordseeküste“ in der ehemaligen Marienkirche eröffnet. Die „Freiwilligen“ in Oosterwijtwerd hatten ein beeindruckendes Programm vorbereitet, und sangen mit den Gästen unter anderem ein Lied, das an diesem Tag und in dieser Atmosphäre wohl bei allen Be-teiligten einen nachhaltigen Endruck hinterlassen hat. 
 
Wir geben das Lied „Kloosterstilte“ anbei in der deutschen Übersetzung wieder.
Es wäre schön, wenn es auch einmal auf der Klosterstätte in Ihlow zu hören wäre !

Marika Meijer, ehrenamtlich in der Mariakerk Oosterwijtwerd aktiv,
(www.mariakerkoosterwijtwerd.nl) schreibt dazu:

 Klosterstille. Hermann Verbeek

1. Da wird es still, 
die Mauern und die Gänge,
Gewölbe und die Fliesen, 
die Uhr und die Gesänge, 
sie werden still. 
4. Da wird es still, 
die Vögel singen Lauden,* 
der Mönche Bäume neigen,
Halme von reifen Ähren, 
sie werden still.
2. Da wird es still,
die Worte in den Büchern,
die Bilder, die Gebärden,
die Füße, die sie suchen,
sie werden still.
5. Als in der Nacht
der Mond den Turm beruhigte
wie eine Hand die Schulter,
da hörte er die Stille,
sie war um ihn. 
3. Da wird es still,
das Korn keimt still empor,
die Hand pflückt sieben Äpfel,
das Brot geht auf im Ofen,
sie werden still.
 

*morgendliche Stundengebete
Herman Verbeek, Liedboek van Aarde, Groningen 2007, Übersetzung: Marianne Schulte Kemna

Möge es auch weiterhin Klöster geben, Orte der Stille. Ob sie nützlich sind? Der Ertrag von Stille ist unermesslich groß. Nirgends ist es mehr still. Die Stadt kennt sie nicht. Die Stille ist dem Menschen fremd geworden. Beinahe unnatürlich. Stille muss gesucht werden; man muss sich für sie entscheiden; ja sie muss organisiert werden. Ein Kloster ist eine Niederlassung, Abgeschiedenheit, Absonderung, wo Stille als Gastgeberin wirkt. Überall, wo ein Mensch in Stille ist, kann so ein Kloster bestehen. 
 
Herman Verbeek (1936-2013) aus Groningen, Priester, grüner Politiker auf Provinz- und Landesebene und im Europäischen Parlament, politisch aktiv bis 1994, war ein vielseitiger Mensch, sehr aktiv in allen Bereichen. Für ihn waren Politik und Religion keine Gegensätze,  denn Gerechtigkeit den Armen und Verantwortlichkeit der Erde gegenüber waren bei ihm religiös inspiriert und sollten s. E. politisch gestaltet werden. Als Priester war er zuhause in der Erneuerungsbewegung ‚Acht Mei‘ innerhalb der katholischen Kirche und er gründete selber die Basisgemeinde ‚De Vier Handen’ in Groningen. Zudem hat er dafür gesorgt, dass die orthodoxe Synagoge in der Folkingestraat in Groningen, verlassen seit dem zweiten Weltkrieg und nachher benutzt als chemischer Reinigungsbetrieb (!), wieder ein Gebetshaus werden konnte.
Er erfuhr eine tiefe Geistesverwandtschaft mit der jüdischen Spiritualität; in seinem Totenamtbeteten seine jüdische Brüder das Kaddish für ihn. Im politischen und kirchlichen Leben hat er Konflikte nicht gescheut. So hat er, als ein neuer Bischof in Groningen 1999 antrat, dessen strenge (viele sagten: ängstliche) Sexualmoral kritisiert, wobei er auch offen war über seiner eigenen Homosexualität.
Im Laufe seines Lebens wurde Verbeek immer stiller, vielleicht darf man sagen: mehr und mehr der Mönch oder sogar der Klausner der er zutiefst war. Immer aufmerksamer, stiller und erdverbunden.
Er lebte alleine, publizierte sehr viele Texte und Gedichte, komponierte Lieder mit einfachen Melodien. In der Kirche von Godlinze, unweit von Oosterwijtwerd, hat er für eine CD Aufnahme ganz alleine seine Lieder gesungen über den Mönch und die Erde (CD : ‚De monnik en de aarde’).
Er besingt den Rhythmus der Natur im Laufe des Jahres und des einzelnen Tages mit Ehrfurcht und Stille. Und schreibt bei jedem Lied eine kleine Erklärung.
In ‚Klosterstille‘ handelt es sich nicht nur um Klostergebäude oder Mönche, sondern, wesentlicher und persönlicher, um die Ehrfurcht und Stille im Leben eines Menschen, die jeder in seinem Leben pflegen kann. Eine Klosterzelle im eigenen Herzen!
Vorne im ‚Liedboek van Aarde‘, aus dem das Lied genommen wurde, findet man in zwei Aufschriften diese Ehrfurcht ausgedrückt:
- Ich weiß nicht wieso ich besser sein könnte als der Wurm. Denn, schau mal, er macht, was er tun sollte, und zerstört nichts - (nach Rabbi Mendel).
- Deus sive Natura - Gott oder die Natur – Baruch Spinoza.
In Oosterwijtwerd (Provinz Groningen, Nederland, ungefähr gegenüber von Emden) hat es im Mittelalter ein Johannitervorwerk gegeben, das einige Zeit, bis 1476, ein selbständiges Kloster (oder Kommende) wurde. 
 
Die Kirche war ein Marienheiligtum, sogar mit einer Unterkunft für Pilger nebenan.
Warum der Mutter Gottes hier diese besondere Verehrung zuteil geworden ist und wie lange dies gedauert hat, weiß jetzt keiner mehr, weil alle Dokumente in den Kriegshandlungen und der Reformation des 16. und 17. Jahrhunderts vernichtet worden sind.
Wir, eine Gruppe von Oosterwijtwerdern, für die die Kirche wichtig ist, wurden eingeladen, bei der ‘Wanderausstellung Johanniter an der Nordseeküste’ mitzumachen. Das war für uns eine Stimulanz, uns mit diesem Stück unserer Dorfgeschichte zu beschäftigen.
Bei der Eröffnung der Ausstellung,  im September 2022, haben wir das Lied ‘Kloosterstilte` gesungen. Die Marienkirche ist das ganze Jahr tagsüber geöffnet. Wir hoffen dass es immer noch ein Ort der Stille und Gastfreundschaft sei. Herzlich Willkommen in Oosterwijtwerd!
Marika Meijer

Biografie Herman Verbeek (1936-2013): Priester, Politiker, Pblizist.
Stefan van der Poel. Hrsg. , Verlag Verloren, ISBN 9789087048327
Liedboek der Aarde (2007) Stichting Verbeek- Fonds, Postbus 11065, 9700 CB Groningen 
 

Gemeinde Ihlow